Systematik

Ein laienhafter Ausflug in die Systematik

In der Regel beginnen solche Rubriken mit einem Schema, welches aus der Lehre der Systematik der Lebewesen stammt.

Reich:                             Tierreich

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Kieferklauenträger (Chelicerata)
Klasse: Spinnentiere (Arachnida)
Ordnung: Webspinnen (Araneae)
Unterordnung: Vogelspinnenartige (Mygalomorphae)
Familie: Vogelspinnen (Theraphosidae)

Gattung:                         z.B. Brachypelma

Art:                                z.B. Brachypelma smithi

( Trivialname: Rotknie Vogelspinne)

Thorell, 1870

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Für einen neugebackenen Halter oder für den, der gerade mit dem Gedanken spielt, eventuell eine Vogelspinne zu halten, ist dies meist nicht wirklich auf den ersten Blick interessant. Der Spinne geht es nicht besser noch schlechter, wenn ihr Besitzer sie systematisch zuordnen kann – dem Besitzer in der Regel auch nicht. Wer sich aber ein Tier hält, sollte vielleicht auch etwas Interesse an dessen Biologie haben. Spätestens wenn ihr Kontakt mit versierten Haltern, Züchter oder in einem Internet-Vogelspinnenforum habt, werdet ihr nicht darum herum kommen, euch mit diesen und anderen Themen aus der Biologie Eurer VS zu beschäftigen. Gerade in Vogelspinnenforen lauern einige User, die nur darauf warten, jedem Unwissenden ihre Fehler auf mehr oder weniger nette Art und Weise unter die Nase zu reiben. Ein Beispiel aus dem netten Bereich: Solltet ihr schreiben, ihr seid nun Besitzer einer Brachypelma Smithi, wird Euch in vielen Fällen gleich jemand darauf aufmerksam machen, dass ihr korrekterweise hättet schreiben müssen, dass ihr eine Brachypelma smithi besitzt. Die Bezeichnung dieser Spinne setzt sich nämlich zusammen aus der lateinischen Bezeichnung der Art und der Gattung und nur die Gattung wird in diesem Falle groß geschrieben. Selbst wenn ihr nur Smithi schreibt, kann Euch dies passieren, wobei ich denke, als Einzelname wird dieses sehr wohl groß geschrieben. Wie gesagt, dies ist ein nettes und harmloses Beispiel für eine zu erwartende Belehrung.

Bei anderen VS-Haltern in Internetforen gewinnt man den Eindruck, sie mutieren mit dem Erwerb von Fachbüchern oder der Anschaffung einer zweiten oder spätestens dritten VS zu Diplom-Biologen mit einem Dr. hc. in Arachnologie. Wobei sie aber dann ebenfalls den Eindruck erwecken wollen, ihr Wissen wäre ihnen schon mit der Muttermilch eingeflößt worden und sie hätten noch nie in ihrem Leben nur den kleinsten Fehler in der Haltung ihrer Tiere begangen.

Wie ihr aber vielleicht bemerkt habt, wurden gerade im oben genannten Beispiel zwei Begriffe verwendet, die ihr ebenso im oberen systematischen Schema findet, die Bezeichnungen Gattung und Art. Tatsächlich verwenden oder hören wir ständig Wörter aus der Systematik, deshalb möchte ich hier etwas zum besseren Verständnis beitragen. Es gibt sicher viele, die sich an die Biologiestunde nicht mehr erinnern, in der die ‘Systematischen Ordnungssysteme’ besprochen wurden oder noch nichts davon gehört haben.

Die Systematik ist eine Lehre der Zoologie, die alle Lebewesen in ihre Verwandtschaftsverhältnisse einordnet. Hierzu wird das oben gezeigte Ordnungssystem in der Tabelle verwendet. Dieses geht von oben nach unten von der allgemeinsten Zusammengehörigkeit, bis hin zu den spezifischen Eigenschaften eines Lebewesens. Die Zusammengehörigkeit wird hier anhand übereinstimmender körperlicher Merkmale bestimmt (Taxa). Deshalb nennt man die Systematik auch Taxonomie. Gleichzeitig versinnbildlicht dieses Schema auch von oben nach unten gesehen die evolutionäre Leiter, aus der sich eine Art entwickelt hat.

Um für den Laien zu versinnbildlichen, in welchem Bereich der Zusammengehörigkeit wir uns bei den einzelnen Zuordnungsbegriffen befinden, möchte ich einmal ein einfacheres Beispiel für ein Tier aufzeigen, dass jeder von uns kennt und leichter in Zusammenhang hinsichtlich der Zuordnungen bringen kann als das Model der Spinnen, nämlich z.B. das der Katze.

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Denn ich bin der Herr, deine KATZE!

Reich: Tierreich (im Gegensatz z.B. das Pflanzenreich)

Stamm: Chordatiere (Tiere mit innerem Achsenskelett)

Unterstamm: Wirbeltiere (Tiere, die eine Wirbelsäule besitzen. Im Gegensatz z.B. zu den Wirbellosen wie unseren Spinnen)

Klasse: Säugetiere (Tiere, die ihre Jungen mit Muttermilch säugen im Gegensatz zu denen die z.B. aus Eiern schlüpfen und nicht gesäugt werden)

Ordnung: Raubtiere (alle Tiere die den oben genannten Klassifizierungen entsprechen und andere Tiere als Nahrung erbeuten. Ausnahme Bären, die eigentlich eher Allesfresser sind. Der Pandabär ist sogar ein reiner Pflanzenfresser)

Familie: Katzen (Alles was wir uns so unter Katzen vorstellen können, vom Löwen und Tiger über Ozelot, Goldkatze, Seval bis hin zur Wildkatze einschließlich der Hauskatze)

Gattung: felis (Hier werden nun alle Kleinkatzen eingeordnet. Macht Sinn, auch wenn wir unsere Hauskatzen gerne als Stubentiger bezeichnen)

Art: Wildkatze (Z.B. afrikanische-, europäische, asiatische Wildkatze. Aus der afrikanischen Wildkatze (Falbkatze) wurden dann unsere Hauskatzen herausgezüchtet.)

Unterart: Hauskatze

Bei diesem Beispiel der Taxonomie (Klassifizierungsmodell) der Katze findet ihr Begriffe, die ihr kennt oder schon einmal gehört habt. Dies macht es bei dem oben gezeigten Schema der Spinnen einfacher zu verstehen, in welch einem Grad von Verwandtschaftsverhältnis man sich bei den Zuordnungen befindet.

Hier nun im direkten Vergleich die Gegenüberstellung:

Hauskatze                                                Rotknie Vogelspinne

Reich: Tierreich                                        Reich: Tierreich

Stamm: Chordatiere                               Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)

Unterstamm: Wirbeltiere                      Unterstamm: Kieferklauenträger

Klasse: Säugetiere                                   Klasse: Spinnentiere

Ordnung: Raubtiere                                Ordnung:  Webspinnen

Familie: Katzen                                        Familie: Vogelspinnenartige

Gattung: felis                                           Gattung: Brachypelma

Art: Wildkatze                                          Art: Brachypelma smithi

Unterart: Hauskatze                              Unterart:      –

Wenn wir also z.B. von der Klasse der Spinnentiere sprechen, reden wir nicht wirklich von dem was wir landläufig als Spinnen verstehen, obwohl der Begriff dies nahelegt. Hier werden Skorpione, Pseudoskorpione, Milben, Palpenläufer, Walzenspinnen, Weberknechte u.a. noch undifferenziert zusammengefasst. Im Vergleich mit unserer Katze sehen wir ebenso, dass in der entsprechenden Rubrik „Klasse“, alle Säugetiere dieser Erde enthalten sind. Erst in der nächsten Abteilung, die als „Ordnung“ bezeichnet wird, finden wir mit der Bezeichnung „Webspinnen“ alles was wir uns allgemein unter Spinnen vorstellen. Von Exemplaren im Millimeterbereich bis hin zu den großen Vogelspinnen. Ihre größte Gemeinsamkeit ist, dass sie Spinndrüsen und einen zweigeteilten Körper besitzen. Im Vergleich bei der Katze die Ordnung der Raubtiere, welche alle Säuger enthält, die gleichzeitig Beutegreifer und überwiegend Fleischfressend sind. Eine Klassifizierungsstufe darunter befinden wir uns in der Zuordnung „Familie(n)“. Aus der Ordnung der Raubtiere werden dort weitergehende übereinstimmende anatomische Merkmale zusammengefasst, um diese in Familien wie katzenartige, hundeartige, marderartige sowie Bären usw. zu unterteilen. Bei den Spinnentieren sind wir demgegenüber nun u.a. bei der Familie der Vogelspinnen (Theraphosidae) angekommen. Andere Familien wären: Radnetzspinnen, Baldachinspinnen, Deckelspinnen, Falltürspinnen, Kugelspinnen u.v.m. – Damit eine Spinne zu den Vogelspinnen gezählt wird, muss sie im Wesentlichen fünf übereinstimmende Merkmale aufweisen. Diese sind:

1. Ganzkörperbehaarung

2. Acht Augen

3. Mehrgliedrige fingerartig verlängerte Spinnwarzen

4. Haftpolster am Tarsus der Laufbeine und Tarsalklauen (Krallen, die wie bei Katzen einziehbar sind)

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5. Dörnchen in der Mundöffnung.

In den anderen Spinnenfamilien weisen diese Tiere nur einzelne dieser Merkmale auf.

In der Klassifizierung „Gattung“ sind nun alle Typen von Vogelspinnen zusammengefasst, die sich ähnlich sind. Hierbei spielen kleine physiologische Merkmale eine Rolle die den Ausschlag geben, ob eine VS in die eine Gattung oder andere Gattung zugeordnet wird. Viele dieser Merkmale kann man nur unter dem Mikroskop genauer bestimmen. In der nächsten Klassifizierungsstufe wird nun eine spezielle „Art“ benannt. Dies sind Tiere die alle in ihren äußeren und genetischen Merkmalen identische sind. Sie pflanzen sich untereinander fort und es entstehen dabei wieder mit den Elterntieren identische Nachkommen. So sehen wir nun in der als Beispiel oben genannten Artenzuordnung “Brachypelma smithi“. Mit Trivialnamen mexikanische Rotknievogelspinne genannt. Andere Arten wären die Orangebeinvogelspinne (Brachypelma emilia), Kraushaarvogelspinne (Brachypelma albopilosum), Schwarzrotevogelspinne (Brachypelma vagans) u.v.m.

Trivialnamen von VS bedeuten: Namen für VS, die sich allgemein im deutschen Sprachgebrauch eingebürgert haben aber keiner offiziellen Bezeichnung entsprechen. Wissen sollte man auch, dass es nicht für jede Vogelspinnenart einen deutschen Trivialnamen gibt. Viele Arten, die weniger bei Terrarianern gehalten werden, besitzen nur ausschließlich ihre wissenschaftlichen Bezeichnungen.

Aktuell sind wohl 116 Gattungen von VS beschrieben, denen mittlerweile über 900 Arten zugeordnet werden. Es wird trotzdem davon ausgegangen, dass ein Großteil noch nicht erfasst wurde. Tatsächlich kommen jährlich neu beschriebene Arten hinzu.

Evolution der Spinnentiere

Laut vieler Quellen sind zurzeit etwa 38000 Arten von Spinnen bekannt.

1077807_573421722700723_636059222_oFoto von Kerschdel

Spinnen gehören zu den ältesten landbewohnenden Tieren. Sie haben alles überlebt, was die Erdgeschichte so an Überraschungen zu bieten hatte. Weder Meteoriteneinschläge, megatektonische Ereignisse, denen man heute das Aussterben der Dinosaurier zugrunde legt, oder die Eiszeit konnten diese Tiergruppe von der Erde verdrängen. Der Mensch ist im Vergleich zu ihnen ein soeben neu in die Erdgeschichte eingetretenes Wesen, welches seine Langlebigkeit erst einmal unter Beweis stellen muss. Vorläufer der Skorpione, die ebenso zu den Spinnentieren gehören, bevölkerten schon die Urmeere, bevor überhaupt das Leben auf dem Lande einschließlich der Vegetation begonnen hatte. Diese Tiere waren auch die ersten, die den Sprung vom Wasser auf das Land schafften.

Welche Erfolgsstrategien also machen Spinnen im Punkto Überleben nun so erfolgreich?

Gerade die Vogelspinnenartigen, welche schon seit dem Karbonzeitalter vor 300 Millionen Jahren auf unserem Planeten unterwegs sind, haben eine bestimmte Eigenschaft perfektioniert, und zwar das Energiesparen. Wechselwarme Tiere, die ihre Körperwärme nicht selbst erzeugen müssen, sind schon von Hause aus in Punkto Nahrungsbedarf klar im Vorteil. Vielen reicht eine Mahlzeit für Wochen oder Monate zum Überleben aus. Vogelspinnen, die aber sogar bis zu einem Jahr keine Nahrung aufzunehmen brauchen und trotzdem ohne Schaden überleben, sind schon wahre asketische Hungerkünstler. Bei diesem Kunststück werden sogar die indischen Gurus blass. 😮 Eine Eigenschaft die, wenn es hart auf hart kommt, durchaus das Überleben sichern kann. Alle Spinnen sind zwar von tierischer Kost abhängig, hierbei sind sie aber wahrlich nicht sehr wählerisch. Alles was sie überwältigen können wird verspeist, egal ob es nun ein Insekt, ein Amphibie, ein Reptil, Vogel oder Säuger ist. Selbst andere Spinnen und Artgenossen bleiben als potentielle Nahrungsquelle nicht verschont. Die Hauptquelle für die Ernährung von Spinnen sind jedoch Insekten. Seitdem unser Planet blühende Pflanzen hervorbrachte, und damit auch eine explosionsartigen Anstieg der Insektenpopulationen, ist auch der Stern unserer Achtbeiner ganz hoch ins Firmament aufgestiegen. Dieses riesige, nimmer versiegende Nahrungsreservoir wird wohl bis zum Ende der Tage für die Spinnen bestehen bleiben.

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Ein weiterer Vorteil, den Spinnen besitzen, ist ihre Anpassungsfähigkeit an Lebensräume. Die Eigenschaft ‘wechselwarm’ zu sein ist zwar auf arktisches Klima hin gesehen nicht wirklich von Vorteil, allerdings besetzen Spinnen schon bei gemäßigten Klimaverhältnissen alle Lebensräume. Sie leben unterirdisch, sind Erd-, Pflanzen-, Strauch- und Baum-bewohnend, Naturhöhlensystem-bewohnend und sogar Wasser-bewohnend. Das einzige was sie nicht haben wie ihre Verwandten, die Insekten, sind Flügel, so dass der Luftraum ihnen nicht als Lebensraum zur Verfügung steht. Allerdings gibt es kleine Spinnenarten, die sich mit in die Luft geschossenen Fäden gleitschirmartig vom Wind davon tragen lassen können. Mit etwas Glück und der richtigen Thermik schaffen sie es sogar in höher gelegenen Luftschichten, in denen sie Reisen von hunderten und mehr Kilometern zurücklegen können, um sich gegebenenfalls bei günstigen Verhältnissen dort anzusiedeln. Alle Lebensräume zu besetzen ist ein klarer Überlebensvorteil. Beim Zusammenbruch eines Habitats überleben andere. Selbst wenn ein Lebensraum großflächig und für lange Zeit ausfällt, schafft es spätestens die Evolution, dass die Überlebenden bei Neuentstehung der alten Bedingungen diese Nische wieder besetzen können.

Werden Bodenflächen z.B. großflächig überschwemmt, überleben die Tiere in den Bäumen. Brennt der Wald ab, überleben Tiere in ihren Höhlen. Schlägt ein Killerkomet auf der Erde ein, ist man in unterirdischen, kilometerweiten Naturhöhlenlabyrinthen auch noch sehr gut geschützt. Und wenn man dann noch ein paar Jahre überdauert, in denen man nur zwei, drei Artgenossen frisst, kann man fast alles aussitzen.

Oft sagt man, dass die Kakerlaken die letzten Überlebenden auf diesem Planeten sein werden. – Spinnen fressen Schaben!  😉