Häutung, Wachstum und Lebenserwartung

 

Die Häutung

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Zu den besonderen Events in der Vogelspinnenhaltung zählen die Häutungen der Tiere. Wirbellose Tiere häuten sich, da sie ein starres Außenskelett (Exoskelett) besitzen, den Chitinpanzer. Dieser Panzer schützt sie vor äußeren Einflüssen und vor Austrocknung. Nach einer erfolgten Häutung ist dieser Chitinpanzer noch weich und kann ein bis zwei Wochen wachsen. In dieser Zeit härtet er ebenfalls durch Einlagerung von Sklerotin aus. Anschließend ist er starr, hart und unveränderlich. Er kann deshalb danach nicht mehr weiter wachsen, sondern muss zum Größenwachstum wieder von neuem abgestreift werden. Bei einer Häutung wird aber nicht nur das Außenskelett erneuert, sondern auch Organe und Organteile, welche mit dem Exoskelett in direkter Verbindung stehen. Diese wären z.B. Teile des Saugmagens, der Fächerlungen, Augen, Darm, Spermathek usw. Selbst durch Unfälle, Abwerfen oder sonstige äußere Einflüsse verlorene Körperteile wie Gliedmaßen und Cheliceren werden bei einer Häutung nachgebildet. Bei Gliedmaßen können aber auch zwei oder drei Häutungen erforderlich sein, um diese vollständig zu erneuern. Eine Häutung kündigt sich beiBombardierspinnen durch Verfärbung der Abdominalglatze an. Als Bombardierspinnen bezeichnet man Arten, die sich durch Abstreifen von auf dem Abdomen befindlichen Reizhaaren gegen Feinde verteidigen. Diese Arten stammen meist aus Südamerika und werden somit auch als neuweltliche Vogelspinnen bezeichnet. (Südamerika wird geschichtlich als die ‚neue Welt‘ und Afrika als die ‚alte Welt‘ betitelt) Brennhaare werden erst wieder bei einer Häutung ersetzt, deshalb wird der Abdomen nach dem Abstreifen dieser Haare kahl. Dies ist die oben genannte Abdominalglatze.

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Junge, sehr blaßgefärbte smithi mit Glatze.

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Abdominalglatze einer subadulten männlichen B. smithi unmittelbar vor der Reifehäutung

Hier ein guter Link für die, die mehr über Brennhaare wissen möchten: http://www.theraphosa-franken.de/bombardier.html

Anzeichen einer bevorstehenden Häutung

Einige Wochen vor der Häutung bildet sich unter der alten Haut die neue, die wiederum mit Haaren versehen ist. Diese neuen Haare scheinen durch die alte kahle Hautstelle durch und deswegen verfärbt sich der Bereich nun wieder glänzend dunkel bzw. schwarz. Bombardierspinnen, die keine kahlen Stellen aufweisen, was oft auf einen umsichtigen Besitzer des Tieres schließen lässt, aber plötzlich ohne ersichtlichen Grund ihre Brennhaare abstreifen, können ebenfalls kurz vor einer Häutung stehen. Die Tiere tun dies, um die Umgebung ihres Unterschlupfes gegen eventuelle Fressfeinde zu sichern. Schaut man sich ein Tier mit solchem Verhalten an, wird dieses in dem meisten Fällen an den nun kahlen Stellen bereits eine verfärbte Abdominalglatze aufweisen oder zeitnah ausbilden. Weitere Anzeichen wäre ein längeres Verschwinden des Tieres in seinem Unterschlupf, der gerne dann außen komplett zugesponnen wird. Oft wird in diese Gespinste noch Erde oder sonstiges zur Verfügung stehendes Material mit eingebaut. Vogelspinnen, die als Unterschlupf sowieso außen angelegte Gespinste nutzen, verschließen diese gänzlich. Viele Arten verweigern auch wochenlang vor der Häutung die Nahrungsaufnahme. Es gibt noch viele kleine Hinweise, die auf eine bevorstehende Häutung hindeuten. Wenn man seine Spinnen kennt, wird man mit der Zeit sehr gut voraussagen können, wann es soweit ist.

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Wie läuft die Häutung ab und was muss ich tun?

Zum eigentlichen Häutungsvorgang zieht sich die Spinne normalerweise wie oben beschrieben in ihren Unterschlupf zurück. Es gibt aber auch spontane Häutungen, die ein Tier dann irgendwo im Terrarium vollzieht. Zur Häutung legt sich die Spinne auf den Rücken, in seltenen Fällen kann aber auch dies unterbleiben. Das Verhalten, sich auf den Rücken zu legen, zeigt eine Vogelspinne nur zur Häutung. Selbst zum Sterben wird sie es nicht tun. Ist ein Tier krank oder verstirbt, zieht es eher seine Beine unter sich. – Es sei denn, das Tier würde natürlich direkt beim Häutungsvorgang versterben. Manche Spinnen fertigen einen sogenannten Häutungsteppich an: eine aus Spinnseide gefertigte Auskleidung des Untergrundes, auf dem sie die Häutung vollziehen. Er dient zum Fernhalten von Schmutz, Keimen und sonstigen Kleinstlebewesen. In der ersten Phase der Häutung liegt eine Vogelspinne oft über viele Stunden scheinbar völlig reglos in Rückenlage. – Also bitte nicht verzweifeln, es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Bei adulten Tieren kann sich die Reglosigkeit gerne einmal bis zu einem halben Tag oder länger hinziehen. Erst wenn mehr als ein ganzer Tag bei einer adulten Spinne vergangen ist, sollte man sich Gedanken machen, ob hier etwas nicht in Ordnung ist. Bitte in keinem Falle in den Häutungsvorgang eingreifen oder sogar das Tier zurück auf die Beine drehen!!! Die Häutung ist eine der sensibelsten sich wiederholenden Vorgänge im Leben einer Spinne. Jede Störung und vor allem jedes direkte Eingreifen kann dazu führen, dass euer Tier in der Haut stecken bleibt und im schlimmsten Falle verstirbt. Während der Zeit der scheinbaren Regungslosigkeit pumpt der Körper Hämolymphe in den Vorderleib. In diesem erhöht sich der Innendruck, bis der Carapax ringsherum aufplatzt. Anschließend kann sich nun die Spinne aus ihrer alten Haut heraus arbeiten. Nun beginnt der sichtbar aktive Teil der Häutung, bei dem die Spinne durch Hin- und Herbewegen der Beine ihre alte Chitinhülle von sich abstreift. Dieser Vorgang kann 15 Minuten oder auch einige wenige Stunden dauern. In der Regel ist er aber nach ca. einer Stunde bei erwachsenen Tieren überstanden. Einmal von der Exuvie befreit presst das Tier nun wieder Flüssigkeit in seine Beine, die durch den Druckverlust beim Umpumpen erschlafft sind. Dazu werden die Beine immer wieder an den Körper herangezogen und anschließend wieder steil nach oben durchgestreckt. Alle bisher genannten Vorgänge geschehen immer noch auf dem Rücken liegend. Erst dann dreht sich das Tier, oft nach einer weiteren kurzen Erholungspause, wieder auf seine Beine.

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Die neue Haut der Spinne ist noch weich und muss nun erst mehrere Tage aushärten. In den ersten Stunden danach ist das Tier am empfindlichsten, deshalb darf es weiterhin in keiner Weise beunruhigt werden. Es könnten sich noch Gliedmaßen verdrehen und dauerhafte Fehlstellungen bis zur nächsten Häutung entstehen, wenn das Tier versucht zu flüchten. Es gilt weiterhin die Regel „Finger weg vom Terrarium und natürlich vom Tier“! Auch die ersten Tage danach ist dieses tunlichst zu beherzigen. Alles was nicht muss kann in dem Fall warten. Nur wenn unbedingt nötig darf man frühestens einen Tag nach der Prozedur des Häutens eventuell den Wassernapf füllen. Keinesfalls aber sollte in der ersten Woche im Terrarium gesprüht werden. Innerhalb dieser Woche bis spätestens 10 Tagen danach sind auch die Cheliceren ausgehärtet. Erst jetzt darf das Tier auch wieder Nahrung zu sich nehmen, welche es in der Regel immer sehr gern annimmt. Vorher sind die Kieferklauen ebenfalls weich und könnten bei einem Fressversuch abbrechen. Die Frage: „Was muss ich bei der Häutung tun?“ kann also eindeutig beantwortet werden! – NICHTS! Nur zuschauen und sich ruhig verhalten ist erlaubt. Solltet ihr eure erste Häutung miterleben und werdet trotz aller vorprogrammierter Gelassenheit von irrationalen Panik- und Angstattacken ergriffen, seid beruhigt: es geht vielen so. Ich rate euch, geht spazieren oder ins Kino, macht einen Besuch und trinkt Tee oder greift zu härteren Sachen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragt euren Arzt oder Apotheker. Am besten aber nehmt spontan einen Kurzurlaub und verreist, ganz weit weg. Im Vorfeld der Häutung (also nicht wenn die Spinne bereits auf dem Rücken liegt) wird von vielen Haltern empfohlen, eine erhöhte Luftfeuchtigkeit im Terrarium herzustellen. Darüber, ob eine erhöhte LF vor und/oder während der Häutung positive Auswirkungen auf deren Verlauf hat, wird gern kontrovers diskutiert. Bei Reptilienhäutungen ist dies bewiesen. Reptilien streifen aber auch nur ihre äußerste Hautschicht ab. VS hingegen erneuern ihren kompletten Chitinpanzer sowie Teile der außengelegenen Organe. Wir haben also keinen wirksamen „Einweicheffekt“ durch hohe LF wie z.B. bei Schlangen. Wenn eine erkennbare Häutung ins Haus steht, erhöhe ich aber trotzdem die LF durch langanhaltende Maßnahmen, wie reichliches Gießen meiner Pflanzen. Ich denke nämlich, eine hohe LF während des Häutungsvorgangs trägt dazu bei, dass das Risiko der Antrocknung von Hautresten an der Spinne während des Abstreifens der Exuvie verringert wird. Es bildet sich zwischen alter und neuer Haut eine seröse Flüssigkeit die als Gleit- und Schmierfilm dient. Wenn sich nach dem Aufplatzen des Carapax die Häutung länger hinzieht und zusätzlich eine trockene Umgebungsluft herrscht, sehe ich hier eine Gefahr, dass es frühzeitig zu einer Abtrocknung von Hautresten am Tier kommt. Dadurch könnte ein erschwertes Aussteigen aus der alten Haut, Hängenbleiben von Häutungsresten bis hin dazu, dass ein altes oder vorbelastetes Tier in der Häutung stecken bleibt, gefördert werden. Dies ist allerdings eine eigene Theorie, die ich noch nicht bestätigt irgendwo lesen konnte. Dringend hingewiesen sei darauf, dass man die Erhöhung der LF aber vor Eintritt des eigentlichen Häutungsprozesses vornimmt.

Wachstum und Lebenserwartung

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Da unsere Vogelspinnen, wenn sie aus dem Kokon schlüpfen, nur wenige Millimeter groß sind, ist es verständlich, dass sie sich zum Größenwachstum wesentlich häufiger häuten müssen als ältere Spinnen, die ihre durchschnittliche Endgröße annähernd erreicht haben. Am Anfang ihres Lebens finden Häutungsintervalle noch im Abstand von wenigen Wochen, später Monaten statt. Zum geschlechtsreifen Stadium hin häuten sich Spinnen nur noch ca. im Halbjahres-Abstand. Ist die Geschlechtsreife bei männlichen Tieren erlangt, bilden diese sekundäre Geschlechtsmerkmale aus. Es entwickeln sich an den Tastern die Bulben und viele Arten tragen sogenannte Schienbeinharken. Man spricht bei dieser Häutung unter Haltern von der „Reifehäutung“. In den meisten Fällen ist dies die letzte Häutung einer männlichen Spinne. Hiermit nähert sich bei den Männern ihr Lebensende, da die Fortpflanzung in diesem Stadium ihr eigentlicher Lebenszweck ist. In der Natur begeben sie sich auf die Suche nach begattungswilligen Weibchen und legen dabei oft sehr große Wegstrecken zurück. Diese Reise ist voller Tücken und Gefahren. Es lauern zahlreiche Fressfeinde oder eine Begattung endet mit dem Weg in den Magen einer Angebeteten. Viele männliche Tiere stellen mit oder kurz nach der Reifehäutung gleichfalls das Fressen komplett bis zu ihrem Ableben ein. Dieses Ende ist spätesten nach der Zeit bis zur eigentlich nächsten Häutung erreicht. In der Regel beträgt diese Spanne ungefähr ein Jahr. Die meisten Tiere vollziehen die anstehende Häutung nicht mehr oder verenden beim Häutungsversuch. Die wenigen, die diesen trotzdem überleben, sind nicht mehr zu einer weiteren Begattung fähig. Die hierfür notwenigen Bulben sind nun verkümmert. Die Lebenserwartung solcher Veteranen beträgt danach nur noch maximal wenige Monate. Dann müssen auch sie ihrer biologischen Uhr folgen und ins Spinnennirwana übergehen. Weibliche Spinnen leben nach der Geschlechtsreife allerdings lustig und munter weiter, verpaaren und häuten sich auch weiterhin regelmäßig. Meist erfolgt dies mit zunehmendem Alter nur noch einmal jährlich. Häutungen nach einer Zeitspanne von über einem Jahr sind bei alten weiblichen Tieren ebenso möglich. Für Vogelspinnenmänner wurde in Halterkreisen der eigentlich nicht zutreffende Begriff „Böcke“ eingeführt. Ihre Lebenserwartung beträgt je nach Art nur durchschnittlich 3-8 Jahre. Weibliche Tiere aber hingegen erreichen mindestens das doppelte Alter. Weibchen einiger Arten wird sogar eine Lebensspanne von 20-30 Jahren nachgesagt. Die Stadien vom Ei bis hin zur Geschlechtsreife verlaufen wie folgt: Den ersten Lebensabschnitt verbringt eine Spinne im Kokon des Weibchens, diesen bewacht sie in ihrer Wohnröhre oder ihrem Versteck. Viele Mütter tragen den Kokon auch dauerhaft mit sich herum, um ihn jederzeit richtig zu lagern. Im Kokon reift das befruchtete Ei der Spinne zuerst ins erste Stadium, einer sogenannten Prälarve, heran. In diesem Stadium erhalten die Eier einen Kopfansatz und Beine. Deshalb wird das Stadium auch „eggs with legs“ genannt.

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Die Larve ernährt sich weiterhin von dem Dotter in ihrem Hinterleib und häutet sich in ihr erstes und zweites Larvenstadium.

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Im letzten Larvenstadium verlassen die Spinnen den schützenden Kokon und häuten sich in die erste Fresshaut (FH1), welches biologisch gesehen das erste Nymphenstadium ist. Die Tiere sind zu richtigen, wenn auch noch sehr winzigen, Vogelspinnen geworden und beginnen nun selbständig Beute zu machen. Hierzu verlassen sie dann die Gemeinschaft der Mutter und Geschwister. Dies ist auch gut so, denn langsam kennen alle beteiligten Tiere keine Verwandtschaft mehr. Man nennt diese Tiere nun in Halterkreisen auch Slings oder Spiderlinge.

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Ihre weiteren Entwicklungsstadien bezeichnen VS-Halter als die Fresshäute. Also je Häutung Fresshaut eins (FH1), zwei (FH2) bis zum subadulten Stadium, womit eigentlich die letzte Häutung vor der Geschlechtsreife bezeichnet wird. Biologisch gesehen bleiben die Tiere allerdings Nymphen bis zum adulten Stadium, also mit Beginn der Geschlechtsreife.

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Mit der Geschlechtsreife sind die Tiere adult. Die Böcke sind wie beschrieben „reifegehäutet“.

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