Geschlechtsbestimmung

Geschlechtsbestimmung von Vogelspinnen anhand äußerer Merkmale

Zur Geschlechtsbestimmung von Vogelspinnen gehört etwas Übung und ist optisch bei jungen Tieren in den ersten Nymphenstadien extrem schwierig bis unmöglich. Auch Fehlbestimmungen älterer juveniler Tiere sind durchaus auch bei erfahrenen Haltern schon vorgekommen. 😉 Zu meiner Schande gestehe ich hier: ich bin auch kein Held in diesem Metier. Bei reifegehäuteten Männchen ist es hingegen sehr einfach, ihr Geschlecht zu erkennen. Ist die Geschlechtsreife bei männlichen Tieren erlangt, bilden diese sekundäre Geschlechtsmerkmale aus. Es entwickeln sich an den Tastern die Bulben und viele Arten tragen sogenannte Schienbeinharken. Die Bulben sind Geschlechtsorgane an den Tastern, welche vor der Verpaarung mit Samenflüssigkeit angefüllt werden müssen.

Präsentation1Schhienbein

Hierzu fertigt das männliche Tier ein sogenanntes Spermanetz, auf dem es sein Sperma aus der Epigastralfurche auf der Unterseite des Abdomens abgibt. Anschließend wird das Sekret mit den Bulben wieder aufgenommen. Es handelt sich also beim eigentlichen Geschlechtsakt unserer Vogelspinnen um mehr oder weniger reine Handarbeit. Beim Akt werden die Schienbeinharken an den ersten Vorderbeinen (Tibia Apophysen) in die Chelizeren (Kieferklauen) des Weibchens eingehakt.Danach stemmt das Männchen die Partnerin in die Höhe und führt mit Tastern und den sich daran befindlichen Bulben seine Samenflüssigkeit durch die Epigastralfurche in die Spermathek auf der Unterseite des weiblichen Abdomens ein.

IMG_0113

Die optische Bestimmung des Geschlechtes erfolgt durch ventrale Ansicht (Vogelspinne von unten bzw. in Rückenlage) des Abdomens. Diese Methode zur Geschlechtsbestimmung von Vogelspinnen nennt man Klaas‘sche Methode nach dem Beschreiber dieser Technik Peter Klaas, der auch Autor einiger interessanter Standardwerke zur Vogelspinnenhaltung ist. Hierzu betrachtet man die Epigastralfurche (Geschlechtsöffnung) zwischen den beiden oberen Fächerlungen. Ist die Region völlig behaart, sehr dick und breit (von der Seite betrachtet ist eine deutliche Erhebung “Nase” erkennbar), so handelt es sich um ein Weibchen. Diese ist bei leicht seitlicher Ansicht besser erkennbar als bei direktem Daraufschauen. Ist die Region eher schmal, weniger dicht bzw. fast gar nicht behaart, sind die Haare (ansatzweise) in einem Ring angeordnet (oft befindet sich innerhalb dieses Ringes noch ein Punkt) und wölbt sich die Region nicht sonderlich aus der Umgebung heraus, so handelt es sich um ein Männchen. Dieser Punkt ist das ventrale Spinnfeld in Form eines unbehaarten Flecks. Sie dienen beim reifgehäuteten Männchen zum  Bau des Spermanetzes.

Binokulare Untersuchung

IMG_0163 Die wesentlich genauere Methode der Geschlechtsbestimmung ist die binokulare Untersuchung der Exuvie (Häutung) bzw. der Abdominalhaut dieser.

Dem Anfänger oder einem Spinnenhalter mit wenigen Tieren genügt aber die Anschaffung einer Lupe bzw. Vergrößerungsglases völlig. Erst für den Hobbyzüchter, der eine Vielzahl von Jungspinnen geschlechtlich früh zuordnen möchte, ist der Kauf eines Binokulars überlegenswert.

Zur Untersuchung von Vogelspinnenhäuten werden in der Regel Binokulare verwendet. Diese liefern im Gegensatz zu Mikroskopen eine wirkliche dreidimensionale Ansicht des Objektes mit beiden Augen, welches gerade bei genauer Betrachtung des Geschlechtsapparates einer Spinne sehr hilfreich ist. Unter normalen Umständen genügt zur guten Ansicht bereits eine 20 bis 40-fache Vergrößerung. Mikroskope sind üblicherweise für wesentliche höhere Vergrößerungen gedacht.

Bild_Spermathek

Spermathek_UntereLippe

Zur Geschlechtsbestimmung wird die Abdominalhaut der Exuvie aufgefaltet und der Bereich der beiden oberen Buchlungen/Fächerlungen betrachtet. Ist oberhalb der Epigastralfurche eine Spermathek zu finden, so handelt es sich um eine weibliche Vogelspinne. Die Spermathek dient zur Speicherung des männlichen Samens, der erst bei der Eiablage abgegeben wird. Unterhalb der Spermathek säumt eine wulstige Verdickung die Epigastralfurche, die sogenannte “untere Lippe”. Eine Spermathek sowie die untere Lippe sind bei männlichen Tieren nicht vorhanden. Die Geschlechtsöffnung ist beim männlichen Tier sehr klein und flach, oft auch stärker behaart als beim Weibchen. Bei Tieren in den ersten Nymphenhäuten ist die untere Lippe oft ein sichereres Erkennungsmerkmal als die Spermathek, denn auch männliche Tiere mancher Arten besitzen eine kleine chitinisierte Stelle an der Epigastralfurche. Da in diesem Stadium die Spermathek oft auch sehr klein und unausgebildet ist, kommt es hier gern zu Verwechslungen. Bei älteren Tieren ist die Spermathek groß und auffällig und somit das augenfälligste Merkmal zum Erkennen eines weiblichen Geschlechtes. Man sagt im Allgemeinen, dass eine sichtbare Ausprägung der Spermathek etwa mit der vierten Nymphenhaut beginnt.

Auf besonderem und allgemeinem Wunsch eine kurze bildlich gestaltete Anleitung zur binokularen Geschlechtsbestimmung unserer Achtbeiner.

  • Schritt – Einweichen

Die Spinnenhaut auf eine geeignete Unterlage zum Einweichen legen.

Die Haut mit 40%iger Spiritus- oder Alkohollösung 2 bis 3 Minuten zum Einweichen stehen lassen.

IMG_0148IMG_0151IMG_0150

Spiritus bekommt ihr für wenig Geld im Supermarkt. Alkohol kauft man am günstigsten als Bio-Ethanol im Baumarkt.

Eine 40%-Lösung stellt man durch Mischen von 4 Teilen Alkohol/Spiritus und 6 Teilen Wasser her. (Ich verwende vorzugsweise destilliertes Wasser, normales Leitungswasser geht aber auch.)

  • Schritt – Exuvie auffalten

Ist die Exuvie nun wieder weich, packt man das „nasse Hemdchen“ auf den Objektträger des Binos.

IMG_0155IMG_0154

Anschließend bringt man die Exuvie in eine vernünftige Position (dies bedeutet, man kann die Exuvie betrachten, wenn man oben ins Okular schaut). Beine vorsichtig auseinander falten!

IMG_0157

Man zieht sich die Exuvie, vorzugweise auf dem Rücken liegend, unter das Bino, so dass man die direkt vom Sternum abgehende Abdomenhaut anschauen kann.

IMG_0166

Nun ist die Haut für die eigentlichen Arbeiten vorbereitet und der weitaus kompliziertere Teil des Auffaltens der Abdominalhaut kann beginnen.

  • Schritt – Abdominalhaut auffalten

Ich schaue beim Auffalten der Abdomialhaut ausschließlich durch mein Bino. Dieses gestaltet sich wesentlich einfacher, als es auf dem Bildschirm des Rechners zu verfolgen. – Wenn man aber nur die digitale Darstellung hat (wie bei machen günstigeren Mikroskopen), betrachtet man es eben dort!

IMG_0178

Ich verwende während der Fummelei normalerweise Auflicht und nicht Durchlicht, da man die Details der Hautschichten bzw. Faltungen mit Auflicht besser sehen kann.

Um das Geschlecht zu bestimmen, müssen wir – wie gesagt – den Bereich zwischen den beiden oberen Buchlungen betrachten, welcher in der oft sehr verknoteten Abdominalhaut liegt. Dieser entscheidende Bereich befindet sich im oberen Teil der Haut unter dem Sternum.

Auf dem Foto zeige ich mit der Kanüle darauf!

IMG_0166

Gelegentlich hat man Glück und die Haut ist nicht sehr verdreht und schon etwas geöffnet. Wenn man kein Glück hat, sieht man nur einen Hautschlauch.

gb2gb1

Glück!                                                                                           no luck – Leider normal!

Auf dem gefakten „Glücksfoto“ (schon etwas nachgeholfen) sieht man bereits die weißen Buchlungen. Zwischen diesen Buchlungen können wir die Spermathek finden, wenn denn vorhanden. Wir müssen also die Abdomialhaut zumindest im bezeichneten Bereich zwischen den oberen Buchlungen gänzlich entfalten und möglichst glatt auseinander ziehen. Erst dann erhalten wir den gewünschten Blick durch unser Binokular, um das Geschlecht auszumachen.

gb3

So soll das aussehen, wenn wir denn fertig sind!

Manche nehmen zum Auffalten Zahnstocher oder ähnliches. Auf jedenfalls lang und mit einer Spitze versehen sollte euer Werkzeug sein. Die Spitze ist dazu da, das man besser unter übereinanderliegende, zusammengefaltete Hautschichten kommt und diese auseinander- bzw. aufklappen kann.

IMG_0168

Mit nur einem spitzen Gegenstand kommt man nicht weit, denn man schiebt die Haut sonst unter dem Bino hin und her. – Deshalb nimmt man zur Feinarbeit des Puhlens zwei Wergzeuge in die Hand (zwei Zahnstocher z. B.).- Auf dem Foto verwende ich eine Kanüle und eine Federpinzette. Die Pinzette ist zwar nicht spitz, aber mit dieser kann ich sehr gut an einer Seite die Haut fixieren und mit der Kanüle die Hautfaltungen auseinanderpuhlen. Vorsicht beim Arbeiten mit Kanülen, damit man nicht die Haut zersticht und Löcher und Risse fabriziert.

Wie man am besten puhlt und fummelt kann ich leider hier nicht wirklich darstellen. – VORSICHTIG ist das Schlüsselwort und nur die praktische Erfahrung macht den Meister! Ziehst du zu stark oder zerstichst die Haut, zerreißt sie und ist hinüber. Einmal stark beschädigt kann man oft nicht mehr viel damit anfangen, denn ein aussagekräftiges Ergebnis lässt sich nicht oder kaum noch herausarbeiten.

IMG_0540IMG_0545

Gelegentlich ist die Abdominalhaut nach unten hin so stark verwickelt, dass es Sinn macht den nicht benötigten Teil abzutrennen.

IMG_0554

Danach ist es meist sehr einfach den zu betrachtenden Bereich aufzufalten. Aber Vorsicht, nicht zu viel abscheiden!

  • Schritt – Betrachtung des Präparates

Ist es vollbracht, sieht man die Haut mit den oberen und unteren Buchlungen im freigelegten Zustand, so wie ich es oben als Ergebnisfoto bereits gezeigt habe. – Zwischen den oberen Buchlungen liegt nun vielleicht eine Spermathek.

IMG_0169IMG_0173

Schaltet man nun auf Durchlicht, sieht man in der Regel den chitinisierten Bereich etwas deutlicher.

Außer durch das Bino kann man dies nun gut digital auf dem PC-Bildschirm betrachten.

IMG_0178

 

gb3

Hier, auf diesem Bild mit Auflicht sieht man nichts, also keine Spermathek. -Spinnenmänner bieten eben nix zum gucken!

gb4gb5

Hier ein paar weitere Darstellungen derselben Haut mit Durchlicht. Wenn man aber genau hinsieht, kann man eventuell eine chitinisierte kleine Stelle zwischen den Buchlungen entdecken. Diese ist auch bei einigen männlichen Spinnen Arten vorhanden.

Auf den unteren beiden Fotos zweimal nichts, also zwei weitere männliche Tiere.

roseaPhormictopus cancerides

1.0 Grammostola rosea                    1.0 Phormictopus cancerides.

irmi0irmi2x

Damit ihr auch mal was (Spermatheken) zu sehen bekommt: zum Vergleich ein paar Fotos von einem kleinen Irminia-Weib.

b.emiliaChromatopelma_06_12

Spermathek Brachypelma emilia                 Spermathek Chromatopelma cyaneopubescen

stroma5ornata

Spermathek Stromatopelma calceatum                 Spermathek Poecilotheria ornata

Danke Crisanta Hoffman, Fritz Wagner und Markus Frank, die mich auch das schmale Brett der Geschlechtsbestimmung gebracht haben.

Risiken und Nebenwirkungen: Achtung! Die Präparation von Häuten für die binokulare Geschlechtsbestimmung ist nicht geeignet für Personen, die unter Nervosität, Grobmotorik, mangelnder Misserfolgstoleranz oder dünnem Nervenkostüm leiden. Bei diesen Personen können gelegentliche Nebenwirkungen auftreten wie Frustrationen und Niedergeschlagenheit, hoher Blutdruck, Erregungszustände, Enthemmung, gelegentlich Touret.

Denen, die es trotzdem wagen, wünsche ich, dass es euch der Macht näher bringt junge Jedi.- Ein Geduldsspiel es ist.